In der für das Streitjahr 1997 geltenden Fassung der gesetzlichen Regelungen wird die Möglichkeit des Sonderausgabenabzugs von Beiträgen zur privaten Krankenversicherung betragsmäßig beschränkt. Das bewirkte bei dem im Urteilsfall betroffenen freiberuflich tätigen Rechtsanwalt und seiner nicht berufstätigen Ehefrau, die Eltern von sechs Kindern sind, Folgendes: Die Familie hatte für alle Familienmitglieder Beiträge zur privaten Kranken ? und Pflegeversicherung in Höhe von ca. 18.000 EUR zu leisten. In ihrer Einkommensteuererklärung 1997 machten sie insgesamt Vorsorgeaufwendungen von ca. 33.000 EUR geltend, darunter die genannten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Der vom Finanzamt insgesamt zum Abzug zugelassene Betrag belief sich jedoch nur auf ca. 9.500 EUR.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) stellte fest, dass die gesetzlichen Regelungen mit dem Grundgesetz unvereinbar sind, soweit der Sonderausgabenabzug die Beiträge zu einer privaten Krankheitskostenversicherung und einer privaten Pflegeversicherung nicht ausreichend erfasst, die dem Umfang nach erforderlich sind, um dem Steuerpflichtigen und seiner Familie eine sozialhilfegleiche Kranken- und Pflegeversorgung zu gewährleisten. Zwar ist der Steuergesetzgeber nicht gehalten, die Beiträge zu „normalen" privaten Krankheitskostenversicherungen stets zu 100 Prozent zu berücksichtigen. Aber nach dem Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums hat der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt.
Hinweis: Der Gesetzgeber kann Privatversicherte damit zwar darauf verweisen, dass ein Teil ihrer Beiträge bei der Einkommensteuer unberücksichtigt bleibt, soweit nach seiner Einschätzung das Versorgungsniveau von privaten Krankenversicherungen üblicherweise über das Sozialhilfeniveau hinausgeht. Aber er hat auch die Anforderungen an eine folgerichtige steuerrechtliche Verschonung des Existenzminimums zu beachten. Der Gesetzgeber ist vom BVerfG verpflichtet worden, spätestens mit Wirkung zum 1.1.2010 eine Neuregelung zu treffen. Bis zu diesem Zeitpunkt bleiben die betreffenden einkommensteuerrechtlichen Vorschriften sowie die Nachfolgeregelungen allerdings weiter anwendbar (BVerfG, Pressemitteilung vom 14.3.2008, Nr. 32/2008).